Wer kauft heute eigentlich unverpackt?
Das HNEE-Projektteam (v.l.n.r): Prof. Dr. Jens Pape, Alexandra Wittwer und Projektleiterin Dr. Melanie Kröger
© HNEE 2018
3. Juli 2018
Kund*innen sind Menschen, ĂŒber die es viele Mythen gibt. Unterschiedliche Annahmen zu deren Kaufverhalten kursieren vielerorts, doch hĂ€ufig werden in Studien nur Intentionen abgefragt und nicht der tatsĂ€chliche Einkauf untersucht. Besonderes Interesse erwecken aktuell Verbraucher*innen, die auf die umweltbewusste Einkaufsmöglichkeit in Unverpackt-LĂ€den setzen. Einkaufsgewohnheiten wurden nun erstmalig an der Hochschule fĂŒr nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) untersucht. Im Interview berichten die HNEE-Expert*innen ĂŒber ihre Ergebnisse.
Wer kauft unverpackt ein?
Prof. Dr. Jens Pape: Ausgangpunkt unserer Untersuchung waren die Fragen: Wie fĂŒgt sich der unverpackt-Einkauf in den gesamten Lebensmitteleinkauf ein? Welche Typen von unverpackt-Kund*innen lassen sich unterscheiden? Und welche HĂŒrden gibt es hierfĂŒr? Eine solche Studie gibt es bislang nicht, wir betreten deshalb Neuland. In unserer dreiwöchigen Tagebuch-Studie in zwei Unverpackt-LĂ€den in MĂŒnster und Hamburg konnten wir drei KĂ€ufertypen ermitteln, die sich tatsĂ€chlich stark unterscheiden. Wir nennen sie 1) die âSeltenkĂ€ufer mit niedrigem Budgetâ, 2) die âbesserverdienenden Neukundenâ und 3) die âunverpackt-Intensivkundenâ.
Worin unterscheiden sich diese Typen?
Dr. Melanie Kröger: Jeder nutzt sowohl einen Unverpackt-Laden als Ort fĂŒr regelmĂ€Ăige EinkĂ€ufe als auch SupermĂ€rkte, BiolĂ€den, WochenmĂ€rkte und andere EinkaufsstĂ€tten â aber in ganz unterschiedlichem MaĂe. FĂŒr uns war es deshalb interessant, zu welchen Anteilen sie ihre LebensmitteleinkĂ€ufe wo erledigen und was die GrĂŒnde dafĂŒr sind. Die SeltenkĂ€ufer z.B. kaufen dort vor allem Non Food, wie etwa Hygieneprodukte. Die Neukunden kombinieren Unverpackt-LĂ€den vor allem mit SupermĂ€rkten. Und die Intensivkunden gehen viel seltener Einkaufen als die anderen. FĂŒr alle gilt jedoch: Die Lage und Erreichbarkeit eines Ladens spielt fĂŒr die Wahl einer EinkaufsstĂ€tte insgesamt offenbar die gröĂte Rolle, aber auch das unverpackte Angebot und die Auswahl an Bioprodukten sind diesen Kund*innen wichtig.
Haben sich damit Ihre Thesen bestÀtigt?
Alexandra Wittwer: Es hat sich bestĂ€tigt, dass das unverpackte Einkaufen mit Ănderungen in den gewohnten Einkaufsroutinen einhergeht â man plant z.B. anders als ĂŒblich, muss BehĂ€lter vorrĂ€tig haben und diese mitnehmen. Je lĂ€nger und je hĂ€ufiger die Kund*innen in den Unverpackt-LĂ€den einkaufen, desto besser gelingt diese Umstellung offenbar, so dass der unverpackte Einkauf zur Routine wird. Die LĂ€den können einiges tun, um interessierte Kund*innen hierbei zu unterstĂŒtzen â dies wollen wir im weiteren Projektverlauf genauer untersuchen.
Was bewegt Kund*innen, auf Verpackungen zu verzichten?
Alexandra Wittwer: Es geht den meisten vor allem um die Reduzierung von Abfall und Plastik. Auch die Möglichkeit, individuelle Mengen zu kaufen, ist fĂŒr viele attraktiv. DarĂŒber hinaus bewegt Kund*innen die angenehme AtmosphĂ€re, Beratung und besondere Ladengestaltung sowie die besondere ProduktqualitĂ€t zum Einkauf in den Unverpackt-LĂ€den.
Was bedeutet das fĂŒr den Handel?
Prof. Dr. Jens Pape: FĂŒr den Handel bedeutet dies, dass die Funktionen, die Verpackungen ĂŒblicherweise ĂŒbernehmen, anderweitig erfĂŒllt werden mĂŒssen. Die Mitarbeiter*innen haben andere und mehr Aufgaben als in klassischen BiolĂ€den, etwa in den Bereichen Lagerhaltung, Reinigung, Kennzeichnung und Beratung. AuĂerdem wĂŒnschen sich die LĂ€den, dass die Lieferanten â Hersteller und GroĂhĂ€ndler â vermehrt Mehrweglösungen nutzen und Vertrieb und Logistik der Waren insgesamt möglichst verpackungsarm gestalten. Hierauf setzen wir im weiteren Verlauf unseren Fokus.
Wie steht es aktuell um Unverpackt-LĂ€den in Deutschland?
Dr. Melanie Kröger: Wir können eine sehr dynamische Entwicklung beobachten. Seit GrĂŒndung der ersten Unverpackt-LĂ€den 2014, also vor gerade einmal vier Jahren, sind stetig neue hinzugekommen. Auch andere, etablierte HĂ€ndler, etwa BiosupermĂ€rkte, experimentieren mit Unverpackt-Abteilungen. Aktuell gibt es ĂŒber 70 Unverpackt-LĂ€den â also in fast jeder gröĂeren Stadt â mit vielen arbeiten wir in unserem Projekt zusammen und unterstĂŒtzen auch deren Vernetzung und Kooperation. Im April hat sich der Unverpackt e.V. gegrĂŒndet, der Verband der Unverpackt-LĂ€den. Die Pioniere vernetzen sich und wollen in Zukunft stĂ€rker zusammenarbeiten.
Zu den Personen
Dr. Melanie Kröger ist Projektkoordinatorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HNEE. Prof. Dr. Jens Pape leitet das Fachgebiet Nachhaltige UnternehmensfĂŒhrung in der Agrar- und ErnĂ€hrungswirtschaft an der HNEE. Alexandra Wittwer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt.
Ăber das Projekt
Das BĂLN-Projekt âDer verpackungsfreie Supermarkt: Stand und Perspektiven. Ăber die Chancen und Grenzen des Precycling im Lebensmitteleinzelhandelâ wird in Kooperation mit vielen Unverpackt-LĂ€den sowie dem Verein âUnverpackt e.V.â umgesetzt. Es wurde gerade bis Ende 2019 verlĂ€ngert und von der Bundesanstalt fĂŒr Landwirtschaft und ErnĂ€hrung im Rahmen des Bundesprogramms ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BĂLN) gefördert. Weitere Informationen unter www.hnee.de/unverpackt
Mitmachen ist erwĂŒnscht: Unter www.netzwerk-unverpackt.de können Unverpackt-LĂ€den ihr Profil registrieren lassen, um sich (potenziellen) Kund*innen vorzustellen. Eine Mail an alexandra.wittwer@hnee.de genĂŒgt.
FĂŒr RĂŒckfragen stehen Ihnen zur VerfĂŒgung:
Fachkontakt
Dr. Melanie Kröger
Projektkoordinatorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz
Telefon: 0176 21689910
E-Mail: melanie.kroeger@hnee.de
Pressekontakt
Annika Bischof
Forschungs- und Transfermarketing
Hochschulkommunikation
Telefon: 03334 657-227
E-Mail: presse@hnee.de
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