Mit dem Käfer in der Hand Freiräume entdecken - Anmeldung für NER-Tagung läuft
Das Projekt "Naturerfahrungsräume in Großstädten am Beispiel Berlin" ist am Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz. angesiedelt.
Die Leitung hat Prof. Dr. Heike Molitor (2.v.r.) und Prof. Dr. Jürgen Peters (für die Bereiche Planungsqualität und ökologische Qualität) inne.
Zum Team gehören auch die Koordinatorinnen Dr. Jutta Heimann (links) und Dr. Dörte Martens (rechts).
© HNEE
Naturerfahrungsräume sind Entdeckeroasen für Kinder und Jugendliche. Die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) begleitet die Aktivitäten auf drei Pilotflächen in Berlin, um herauszufinden wie das Zusammenspiel von Natur und kleinen Entdecker*innen sich entwickelt und welche Faktoren eine erfolgreiche Nutzung der Flächen ausmachen. Im Interview berichten Prof. Dr. Heike Molitor und Prof. Dr. Jürgen Peters über ihre Untersuchungen, die in dieser Form einmalig sind.
Wie definieren Sie Naturerfahrungsräume?
Prof. Dr. Jürgen Peters: Naturerfahrungsräume (NER) sind geschützte naturnahe Flächen in der Stadt, die von Kindern und Jugendlichen genutzt werden können. Hier sollen sie die Gelegenheit haben, mit oder ohne Begleitung von Erwachsenen Pflanzen und Tiere zu beobachten, zu spielen oder zu toben. Das Besondere ist, dass es keine Verbote gibt, Pflanzen auch einmal zu pflücken oder einen Käfer in die Hand zu nehmen.
Prof. Dr. Heike Molitor: Es sind natürliche Freiräume, die eigenständig von Kindern und Jugendlichen erreicht werden können und in denen sie ohne vorgegebene Spielelemente frei spielen, beiläufig lernen, Natur erfahren und sich erholen können. Naturerfahrungen sind wichtig für die ganzheitliche kindliche Entwicklung. In Naturerfahrungsräumen können die Kinder Pflanzen und Tiere beobachten und die Schönheit der Natur erfahren. Naturerfahrungsräume widmen sich dem Ziel des freien und selbstbestimmten Spiels im Alltag.
Untersucht werden die drei Pilotflächen unter den Gesichtspunkten „Lebensqualität“, „Planungsqualität“ und „Ökologische Qualität“ – welchen Fragestellungen gehen Sie nach?
Prof. Dr. Heike Molitor: In dem Bereich Lebensqualität untersuchen wir, wie die Naturerfahrungsräume angenommen werden und was die Kinder auf einem Naturerfahrungsraum machen. In dem Bereich Ökologische Qualität untersuchen wir, inwieweit sich die Flächen unter dem Kinderspiel ökologisch verändern. Und in dem Bereich Planungsqualität schauen wir, welche Planungswege und – instrumente hilfreich sind, um Naturerfahrungsräume einzurichten.
Prof. Dr. Jürgen Peters: Hierbei spielen auch gute rechtliche und planerische Bedingungen eine Rolle, um noch mehr Flächen in Berlin oder anderen Großstädten einzurichten. Dazu erstellen wir einen Leitfaden, der helfen soll, Naturerfahrungsräume zu planen, umzusetzen und im Betrieb zu halten.
Gibt es bereits erste Ergebnisse?
Prof. Dr. Jürgen Peters: Wir können jetzt schon sagen, dass die ökologische Qualität der Flächen nicht unter dem Spiel der Kinder gelitten hat. Das war am Anfang durchaus eine Sorge, dass eine zu intensive Nutzung der Fläche dazu führt, dass die wertvollen Vegetationsbestände zurückgehen. Die Kinder gehen respektvoll mit der Natur um. Die Trampelpfade in den Naturerfahrungsräumen sind kein Problem, es entstehen immer wieder neue Vegetationsbilder. Auch die Brutvögel lassen sich von der Anwesenheit der Kinder kaum stören.
Prof. Dr. Heike Molitor: Die Flächen werden in der Regel gut angenommen. Sie befinden sich in der Nähe von Wohngebieten, Kindertagesstätten und Schulen und liegen somit im fußläufigen Einzugsbereich. Zudem gibt es auf den Flächen einen sogenannten Kümmerer, der diese Flächen in der Wohnumgebung bekannt macht und Ansprechpartner für Eltern, Erzieher*innen und Lehrkräfte ist. Zudem übernimmt er kleinere Pflegemaßnahmen und hat die Fläche über das Jahr gut im Blick. Das ist insofern wichtig, als dass in der Stadt auch andere Personengruppen solche Freiflächen interessant finden und Fremdnutzungen die Flächen verändern können, zum Beispiel durch Müll.
Welche Bedeutung haben NER im Bereich der Umweltbildung?
Prof. Dr. Heike Molitor: Da es sich um ein freies Spiel ohne pädagogische Betreuung handelt, haben wir eine vergleichende Untersuchung zwischen Naturerfahrungsraum und Spielplätzen durchgeführt. Die Kinder spielen auf Naturerfahrungsräumen viel kreativer und vielfältiger. Sie machen vielfältigere Möglichkeiten der Naturerfahrung und nutzen diese auch. Sie gestalten den Naturerfahrungsraum selber und entwickeln eigene Spiele. Diese Möglichkeit haben Sie auf einem klassischen Spielplatz so eher nicht.
Wie viele NER gibt es aktuell in Deutschland? Gibt es vergleichbare Flächen zu jenen in Berlin?
Prof. Dr. Jürgen Peters: Es gibt insgesamt 30 NER in Deutschland. Jeder Naturerfahrungsraum ist immer wieder etwas anders, je nachdem welche Grundstruktur vorzufinden ist. Bisher gab es in so großen Städten wie Berlin kaum Naturerfahrungsräume und so richtig Vergleichbares gibt es kaum.
Welche Hürden gibt es, NER zu schaffen? Welche Kosten sind damit verbunden?
Prof. Dr. Heike Molitor: Das größte Problem ist es, NER dort einzurichten, wo sie eigentlich am notwendigsten sind: im Zentrum der großen Städte. Dort ist jedoch die Flächenverfügbarkeit schwierig, weil der Druck auf Freiflächen durch den Wohnungsbau aktuell sehr hoch ist. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass die neu eingerichteten NER in Berlin allesamt eher in Stadtteilen, die sich am Rande von Berlin (Buch, Spandau, Marzahn) befinden, eingerichtet worden sind.
Prof. Dr. Jürgen Peters: Die Kosten der Einrichtung solcher Flächen hängen wesentlich davon ab, welche Voraussetzungen die Flächen im Ausgangszustand bieten. Sofern die natürliche Entwicklung in den letzten Jahren durch Aufgabe der früheren Nutzung fortgeschritten ist, kann es genügen, einige Pfade zur Erschließung der Flächen einzurichten und einzelne Gehölze herauszunehmen, dann sind die Kosten deutlich geringer, als bei der Einrichtung klassischer parkähnlichen Grünflächen.
Was schätzen Sie persönlich an den NER?
Prof. Dr. Heike Molitor: Als Projektleiterin der wissenschaftlichen Begleitung habe ich die Gesamtkonzeption entwickelt und freue mich, dass unsere Überlegungen vom Anfang so gut aufgegangen sind. Insbesondere hinsichtlich der Zielgruppe von Naturerfahrungsräumen schätze ich sehr, dass Kindern Möglichkeiten eröffnet werden, sich die Welt selber und frei zu erschließen ohne (pädagogische) Vorgaben, in einem kreativen Miteinander. Diese Flächen sind damit ein Beitrag zum gesunden Aufwachsen von Kindern in unseren Großstädten.
Prof. Dr. Jürgen Peters: Mein persönlicher Beitrag war es die planerischen und rechtlichen Hürden bei der Einrichtung von NER zu erkennen und Lösungsvorschläge zu entwickeln. Ich hoffe, dass es den Stadtplanungsbehörden mit dem von uns entwickelten Leitfaden leichter fällt, solche Flächen neu einzurichten.
Am 12. September 2019 werden Sie erste Ergebnisse Ihrer Arbeit im Rahmen einer öffentlichen Tagung präsentieren. An wen richtet sich das Format?
Prof. Dr. Jürgen Peters: Die Zielgruppe für die Tagung sind in erster Linie Fachleute. Das sind Behördenmitarbeiter*innen, Landschaftsplaner*innen, Umweltpädagog*innen, die ein Interesse haben, NER in ihrer Kommune einzurichten oder die selbst schon beteiligt sind an der Einrichtung oder den Betrieb von Naturerfahrungsräumen. Andererseits sind aber auch Studierende, die sich im Rahmen der Tagung Wissen zu diesem Thema komprimiert aneignen können, sehr willkommen.
Programm und Anmeldung zur Tagung „Naturerfahrungsräume in Großstädten“
Am 12. September 2019 wird die Abschlusstagung zur wissenschaftlichen Begleitung des Entwicklungs- und Erprobungvorhabens "Naturerfahrungsräume in Großstädten am Beispiel Berlin" an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, Schicklerstraße 5, 16225 Eberswalde: Haus 1, Hörsaal 1, stattfinden.
Anmeldungen sind möglich bis zum 22. August 2019 unter: www.hnee.de/K6490
Über das Projekt:
Die HNEE arbeitet im Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben „Naturerfahrungsräume in Großstädten am Beispiel Berlin“ mit der Stiftung Naturschutz Berlin zusammen. Diese ist für die Einrichtung der drei Pilotnaturerfahrungsräume verantwortlich, die im Zeitraum von 2015 bis 2018 entstanden sind. Die HNEE übernimmt die wissenschaftliche Begleitung und ist ein unabhängiger Partner bei der Untersuchung, welche Faktoren eine erfolgreiche Umsetzung von Naturerfahrungsräumen ausmachen. Das HNEE-Projekt wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und dem Bundesamt für Naturschutz für die Laufzeit 2015-2020 mit 1.072.448,08 Euro gefördert.
Mehr Infos unter: www.hnee.de/K5621
Über die Stiftung Naturschutz Berlin: https://www.stiftung-naturschutz.de/naturschutzprojekte/naturerfahrungsraeume/was-sind-naturerfahrungsraeume
Für Rückfragen stehen Ihnen zur Verfügung
Fachkontakte
Prof. Dr. Heike Molitor
Gesamtprojektleitung und Leitung „Lebensqualität“
Telefon: 03334-657-336
E-Mail: Heike.Molitor@hnee.de
Prof. Dr. Jürgen Peters
Leitung „Planungsqualität” und "Ökologische Qualität"
Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz
Telefon: 0177 686 1083
E-Mail: juergen.peters@hnee.de
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